Reportage: Wie Begrünungstüftler das Ackerwasser managen
Experimentierfreude als ständiger Begleiter
„Wir haben im Vorjahr Soja das erste Mal direkt in blühenden Roggen gesät“, berichten Norbert und Sohn Alexander über ihren ungewöhnlichen Versuch auf ihren ökologischen Vorrangflächen in Waldhers im nördlichen Waldviertel. Den Grünschnittroggen haben sie unmittelbar vor dem Anbau mit einer Walze umgedrückt. „Es war schwierig, mit der Einzelkornsämaschine durch die dicke Pflanzenmasse durchzudringen und den Bodenschluss herzustellen“, schildern die beiden. „Heuer säen wir Soja in den stehenden Roggen bevor er blüht und wir werden ihn diesmal danach mit einer Messerwalze umdrücken.“
Der umgelegte Roggen beschattet den Boden, schützt vor Verdunstung und seine Wurzeln lockern den Boden. „Da Unkraut nicht durchkommt, ersparen wir uns die Herbizidbehandlung. Deshalb bauen wir Soja nur auf ökologischen Vorrangflächen“, begründen die beiden, und sie bedauern: „Leider geht das nächstes Jahr nicht mehr, weil dort ab 2023 nur mehr Brache erlaubt ist.“ Aber wenn der Preis für Sojabohnen entsprechend steigt, schließen sie nicht aus, Soja auch auf regulären Flächen anzubauen.
Nicht ohne Begrünung
Egal, ob ökologische Vorrangfläche oder nicht – Norbert und Alexander Hummel legen Wert darauf, dass alle Äcker das ganze Jahr über mit Pflanzenmasse bedeckt sind und im Boden lebende und tote Wurzelmasse zum Humusaufbau zur Verfügung steht. „Außerdem lockert die Begrünung die Fruchtfolge auf, wir planen zum Beispiel Grünschnittroggen, Sonnenblumen, Weizen, Mais, Weizen, Raps“, berichten Vater und Sohn.
Die Begrünungen mulchen die beiden nicht. Auf den Äckern fahren sie vor der Saat mit Messerwalze und Scheibenegge. Diese Kombination setzen sie auch nach dem Silomais zur Stoppelbearbeitung ein. „Bei 40 Hektar Mais wäre Mulchen zu zeitaufwändig und würde zuviel Diesel verbrauchen“, begründen Vater und Sohn.
Viel Erfahrung und Tüftelei
Vor rund 30 Jahren hat Norbert begonnen, den Boden möglichst wenig zu bearbeiten und Begrünungen anzubauen, um sie dann laufend weiterzuentwickeln. Nun tut er dies gemeinsam mit Sohn Alexander. Ihre Ansprüche an die Mischungen steigen laufend. Sie passen das Saatgut an Anbauzeitpunkt und Folgefrucht an. Die Einzelkomponenten in der Mischung müssen sich ergänzen. Das Zusammenstellen ist deshalb immer wieder eine Tüftelei.
Mix zugekauft
Da Vater und Sohn das Saatgut von bis zu 15 verschiedenen Pflanzen für die Begrünungen verwenden, steigen auch die technischen Anforderungen ans Mischen. Das Saatgut mancher Pflanzenart ist in der Mischung mit nur einem Prozent vertreten. Da muss es insgesamt gut gemixt sein, damit sich die geringen Anteile im Saatgutbehälter der Sämaschine nicht entmischen. Ansonsten würden sie nicht gleichmäßig auf die Fläche verteilt.
Eigene Mischung technisch schwierig und zeitintensiv
Bis vor fünf Jahren haben sie das Saatgut für die Begrünungen selbst gemischt, doch immer mehr Komponenten machen das Mischen technisch schwierig und es kostet immer mehr Zeit. „Deshalb sind wir auf Fertigmischungen der Firma Deutsche Saatveredelung, kurz DSV, umgestiegen“, begründen die beiden. „Dass diese Mischungen unsere Voraussetzungen erfüllen, sehen wir beim Feldaufgang. Bisher haben wir schöne bis zu zwei Metern hohe Begrünungen.“ Das bringt viel Wurzelmasse fürs Bodenleben und Pflanzenmasse zum Bodenbedecken.
Ultraflache und ganzflächige Bodenbearbeitung
Vater und Sohn behandeln die Zwischenfrüchte wie eine Hauptfrucht, weil sie acht Monate am Feld für Biodiversität sorgen, während zum Beispiel Mais nach vier Monaten wieder den Acker räumt. Vor Mais stehen abfrostende Begrünungen auf die sie Ende März Kalk streuen und Biogasgülle mit dem Schleppschuhverteiler ausbringen. Kalk und Gülle arbeiten sie noch am selben Tag zwei bis drei Zentimeter tief mit der CrossCutterDisc ein, einem Gerät für ultraflache und ganzflächige Bodenbearbeitung. Je nach Witterung säen sie zwischen Mitte April bis Anfang Mai Mais mit der Einzelkornsämaschine zirka vier Zentimeter tief in die Begrünungsreste. Dann folgt eine Herbizidbehandlung.
Digital Wasser nutzen
Am Betrieb Hummel hat die Innovation Farm ihren Standort für Silomais. „Das ist der Grund, warum wir Mais auf Basis einer Aussaatkarte säen“, berichten Vater und Sohn, die jede Maschine mit einem RTK-System ausgestattet haben und mit ihrer Technik auf dem aktuellsten Stand sind. Die Aussaatkarte wird in den Traktorterminal eingespielt und ist am Feld sofort abrufbar. Auf Stellen mit guter Wasserversorgung kommen 95.000 Körner je Hektar, auf den schlechtesten 65.000 Körner – dazwischen wird noch fünfmal abgestuft. Es kommen nur soviel Körner auf den jeweiligen Bodenabschnitt, wie dieser auch mit Wasser versorgen kann.
Biomasseindex der letzten zehn Jahre zeigt, wo Wasser zu Hause ist
Aber wie stellt man fest, welche Bereiche gut mit Wasser versorgt sind? „Wir ziehen dazu den Biomasseindex der letzten zehn Jahre heran, errechnet aus den NDVI-Biomasseindex der Sentinel Satelliten und den Fruchtfolgen der letzten zehn Jahre“, so die Landwirte. Wo der Index hoch ist, ist mehr Wasser im Boden verfügbar und dort wird dichter gesät. „Der Mais reift gleichmäßig ab und wir ernten um bis zu acht Prozent mehr Trockensubstanz je Hektar“, betonen die beiden. „Heuer verwenden wir die Aussaatkarte bereits zum dritten Mal und werden sie auch beibehalten. Die Karte kostet 15 Euro je Hektar.“
Schutz vor Erosion
Die abgefrostete Begrünung schützt das Saatbett wirksam vor Erosion. „Im Vorjahr regnete es eine Woche nach dem Anbau 50 Millimeter innerhalb von zwei bis drei Stunden. Während unsere bedeckten Flächen das Wasser aufgenommen haben, schwemmte es in gepflügten Bereichen sogar Pflanzen weg“, erinnern sich Vater und Sohn. „Die Pflanzenreste bremsen das Wasser und die Biomasse lockert den Boden, sodass er mehr Wasser aufnehmen kann. Hier ist der Humusaufbau aus lebender und abgestorbener Wurzelmasse zentral.“
Nach Getreide
Getreide, das sie für Ganzpflanzensilage anbauen und danach in der Biogasanlage zu Gas und Dünger veredeln, ernten sie Anfang Juli. „Dann säen wir möglichst innerhalb einer Woche die Begrünung in die Getreidestoppeln“, berichten Vater und Sohn. „Nach dem Weizen als Druschfrucht wird zirka drei Wochen später die Begrünung gesät, die auf diesen Flächen 30 bis 50 Prozent weniger Biomasseertrag bringt, weil die Tage kürzer sind und die Witterung meist trockener und kühler ist. Für das gleiche Wachstum entsprechen zwei Tage im August einem Tag im Juli.“
Die Begrünungen sind so wirksam, dass sie den Tiefenlockerer nur alle fünf Jahre einsetzen und nur auf verdichteten Flächen, wie zum Beispiel bei Einfahrtsstellen am Feld und am Vorgewende, wo sie Silomais ernten.
Nur mehr Direktsaat?
Alexander stellt nun auf Direktsaat um und richtet seine Meisterarbeit darauf aus. Dazu will er eine Direktsämaschine der Firma Novag testen, die durch das cross slot System „hairpinning“ verhindert. Hairpinning heißt, dass sich organisches Material aus Ernteresten in die Saatrille legt und das Saatkorn am Keimen hindert. „Die Säelemente sind so angeordnet, dass sie kein Stroh in die Saatrille drücken“, beschreibt Alexander. „Auch eine zehn Zentimeter dicke Mulchschicht macht deshalb bei der Aussaat keine Probleme.“
Für den Betrieb ist es eine Umstellung für die nächsten 20 Jahre. „Nach den ersten fünf Jahren hat man das Schlimmste hinter sich. Auch die ersten Jahre mit dem Pflugverzicht waren die härtesten“, berichten Vater und Sohn von ihren Erfahrungen. „Wir sind aber zuversichtlich, dass die Direktsaat gut funktioniert, weil wir schon Erfahrung mit Mulchsaat gesammelt haben.“
Für den Betrieb ist es eine Umstellung für die nächsten 20 Jahre. „Nach den ersten fünf Jahren hat man das Schlimmste hinter sich. Auch die ersten Jahre mit dem Pflugverzicht waren die härtesten“, berichten Vater und Sohn von ihren Erfahrungen. „Wir sind aber zuversichtlich, dass die Direktsaat gut funktioniert, weil wir schon Erfahrung mit Mulchsaat gesammelt haben.“
Betriebsspiegel: Familie Hummel aus Waldhers
- Betriebsführer: LW Meister Norbert Hummel (54)
- Familienmitglieder am Betrieb: Gattin Elisabeth (50), Absolventin HBLA Sitzenberg, Sohn Alexander (22) in Ausbildung zum LW Meister; Eltern Franz (84), Waltraud (78)
- Bewirtschaftete Fläche: 100 ha Acker, davon 40 ha Mais, 10 ha Sonnenblumen, Rest Winterweizen und ökologische Vorrangflächen
- Niederschlag: 550 bis 600 Millimeter
- Tierhaltung: 60.000 Hühnermastplätze