Die ersten drei Jahre sind für die Entwicklung die wichtigsten - was für Kleinkinder gilt, trifft auch auf die Sprösslinge der Naturverjüngung zu. Sandra Tuider hat den Beweis auf ihrer mehr als sieben Hektar großen Schadfläche angetreten, den ein BOKU-Projekt mittlerweile akribisch überwacht. Was bis jetzt geschah, berichtet die Forstwirtschaftsmeisterin bei einem Lokalaugenschein.
Wie eine Bombe haben 2008 die Stürme "Paula“ und "Emma“ in Teilen Thernbergs eingeschlagen. "Von einem Tag auf den anderen waren 7 ha Wald mit einem 80-jährigen Bestand aus Eichen, Kiefern und Lärchen dem Erdboden gleichgemacht“, denkt Sandra Tuider zurück. "Nur einzelne Eichen- und Kiefern-Überhälter sind auf der Kahlfläche stehen geblieben. Die Lärchen waren komplett weg.“ Die Stürme haben auch an anderen Standorten in Tuiders Wald Schaden angerichtet. Doch diese 7 ha bildeten die größte zusammenhängende Schadfläche. Sie liegt auf einer Kuppe. Der Standort ist trocken, der Boden schlecht.
"Nachdem das Schadholz mit dem Harvester aufgearbeitet worden war, habe ich mich gefragt, was ich jetzt mit dieser Fläche anfangen soll“, erinnert sich die Forstwirtschaftsmeisterin. "Soll ich sie mulchen und aufforsten? Aber Setzen, Pflegen und Einzäunen sind arbeitsaufwändig und kosten enorm viel Geld.“
Geduld und Jagd
Deshalb hat sich Tuider entschieden, Geduld zu haben und auf Naturverjüngung zu warten, aber nicht tatenlos. "Die ersten drei Jahre nach den Stürmen habe ich den Abschuss der 320 ha meiner Fläche auf diese 7 ha konzentriert, der in der Regel bei acht bis zehn Rehen je 100 ha liegt“, berichtet die Forstwirtschaftsmeisterin. "Nach diesen drei Jahren hat sich sehr viel Naturverjüngung eingestellt, hauptsächlich Eiche, denn vor den Stürmen war ein Eichelmastjahr. Den Abschuss habe ich aufgrund der dichten Naturverjüngung nach diesen drei Jahren auch wieder auf den gesamten Grund verteilt.“ Für sie war es spannend, was sich alles auf dieser Fläche entwickeln wird.
Insgesamt haben sich 16 verschiedene Baumarten angesiedelt. Den größten Anteil nehmen Eiche, Kiefer, Buche, Tanne, Lärche und Birke ein, auch Erlen und Eschen wachsen.
Vielfalt leistet Widerstand
"In dieser Vielfalt hätte man nie aufgeforstet,“ ist Tuider überzeugt. "Es ist alles gewachsen, was Vögel und Eichkätzchen vertragen können, so zum Beispiel auch Kirsche und Speierling. Sollten drei Baumarten ausfallen, stehen mindestens zehn weitere zur Verfügung.“ Damit rüstet die Naturverjüngung diese sieben Hektar Schadfläche für den Klimawandel. "Durch die vielen Baumarten und die hohe Baumzahl ist der Bestand widerstandsfähig gegen Stürme und Schädlinge“, ist die Forstwirtschaftsmeisterin überzeugt. "Es wird keine Kahlfläche durch Käfer geben.“ Brombeere, Himbeere und Hollerstauden gibt es dort ebenfalls, sie behindern die Naturverjüngung aber nicht.
Europas unschlagbare Eichenverjüngung
Sandra Tuider, Vorstandsmitglied im NÖ Waldverband, teilt ihre Erfahrungen regelmäßig mit Praktikern, die auf Exkursionen ihre Naturverjüngungsfläche besichtigen. Über eine Exkursion ist BOKU-Experte Eduard Hochbichler auf diese Fläche aufmerksam geworden. Sie ist nach seinen Angaben die größte zusammenhängende natürliche Eichenverjüngung in Europa.
2016 nahm das Projekt Fahrt auf
2016 startete Hochbichler mit Tuiders Zustimmung das Projekt zur Eichenverjüngung, um die Entwicklung der Naturverjüngung wissenschaftlich zu begleiten. Die Fläche wurde in zwölf Quadrate zu je 200 mal 200 Metern gegliedert, von denen jedes wieder in neun Quadrate zerlegt wurde. In jedem dieser kleineren Quadrate wurden die Baumarten, ihre Stückzahl, ihr Anteil im Quadrat, ihre Höhe und genaue Verteilung erhoben. "Dazu sind Studenten jeden Quadratmeter mit einer 30 cm hohen Latte abgegangen“, berichtet Tuider. "Jedes Bäumchen, das die 30 cm erreicht hat, wurde notiert.“
Pflegegassen erleichtern die Bestandspflege
Dann wurde ein Pflegegassensystem geplant und 2018 durch Mulchen angelegt. Tuider lässt die Gassen nun alle zwei bis drei Jahre wieder mulchen. Diese 2,10 m breiten Wege erleichtern die Bestandspflege, bieten dem Wild Äsung und dienen als Schussschneisen, die die Ansitzjagd erleichtern.
Geläutert nach Quadrat
Tuider und Hochbichler haben 2019 anhand des Planes und der Berechnungen besprochen, wie es mit den Flächen weiter gehen soll und zwar für jedes kleine Quadrat in jeder 200 x 200 m großen Fläche. "Ich weiß aufgrund der akribischen Erhebung genau, welche Baumart sich auf welchen Quadraten am besten verjüngt“, erklärt Tuider. "So habe ich schon 2019 mit der Läuterung begonnen. Zum Beispiel kommt im Quadrat Nummer 1 im mittleren Quadrat hauptsächlich Eiche vor und deshalb liegt das Hauptaugenmerk auch auf Eiche.“ Auf diesem Quadrat hat die Forstwirtschaftsmeisterin auf Eiche, Lärche und Kiefer durchforstet und die restlichen Baumarten gefällt. So pflegt sie jedes Quadrat anders, je nach den Baumarten, die hauptsächlich vorkommen. Für die Stammzahlreduktion erhielt sie Fördermittel aus dem Programm für Ländliche Entwicklung.
Das Ziel: Qualitätsholz erzeugen
"Bis zur Läuterung 2019 habe ich weder ein einziges Bäumchen gesetzt oder ausgemäht noch vor Wildverbiss geschützt“, betont Tuider. "Jetzt gibt es viel Wild im Bestand, aber die Bäume stehen zum Schälen zu dicht. Da sie 4 - 5 m hoch sind, ist es egal, wenn das Wild Seitentriebe anknabbert.“
Jetzt wartet Tuider ab, wie sich der Bestand entwickelt, nachdem die einzelnen Baumarten herausgepflegt wurden. Den nächsten Schritt plant sie in zehn Jahren. Mit den späteren Pflegeeingriffen will sie Qualitätsholz erzeugen. Derzeit putzt sich das Laubholz durch den Dichtstand selbst.
Die Jagd ist der Schlüssel
"So einfach ist es: Die Jagd ist der Schlüssel - nur weil ich drei Jahre lang diese Fläche konsequent bejagt habe, hatte die Naturverjüngung eine Chance und ich habe viel Geld und Zeit gespart“, betont Tuider. "Hätte ich die Fläche zum Beispiel als Mischwald aufgeforstet, hätte ich bisher mindestens 12.000 Euro je Hektar ausgelegt.“