Martina Oberleitner aus Neuhofen an der Ybbs zeigt als Vermittlerbäuerin und Lehrerin an der LFS Gießhübl anderen Betrieben und künftigen Hofübernehmern, wie sie Vielfalt am Betrieb umsetzen können.
Neugier wurde erst geweckt
„Insekten haben mich nie interessiert, erst die Ausbildung zur Vermittlerbäuerin hat meine Neugier geweckt“, erinnert sich Martina Oberleitner. Die Ausbildung vor drei Jahren dauerte zweimal zwei Tage und jedes Jahr gibt es ein- bis zweimal eine Weiterbildung. Oberleitner ist eine von zehn Vermittlerbauern und -bäuerinnen in Niederösterreich und sie macht im Rahmen des ÖKL-Projektes „Vielfalt auf meinem Betrieb“ die Biodiversität zum Gesprächsthema. „Das Wichtigste ist die Kommunikation und das Weitertragen des Wissens“, betont Oberleitner. „Ich besuche zwei bis drei Betriebe im Jahr und schaue gemeinsam mit ihnen, wo bereits Vielfalt an Insekten und Pflanzen vorhanden ist und wo sie diese am Hof fördern können.“
Buntes Leben in „schlampigen Ecken“
Zum Beispiel verschwinden mit alten Gebäuden, Steinmauern, Stein- und Totholzhaufen auch Lebensräume vieler Insekten, wie zum Beispiel der Wildbienen. „Im Totholz leben Käfer, die sich Spechte holen“, erklärt Oberleitner. „Sie klopfen dabei Löcher ins tote Holz, in die dann Wildbienen einziehen.“ Auch absterbende Bäume sollte man nicht gleich entfernen, weil in ihren Löchern Vögel nisten.
Möglichkeiten für jeden Bauernhof
„Auf fast jedem Hof gibt es Möglichkeiten, sogenannte schlampige Ecken einzurichten oder zu belassen“, weiß Oberleitner aus Erfahrung. „Auf unserem Betrieb befindet sich zum Beispiel hinter einer Holzscheune ein altes Dachziegellager, ein Hollerbusch, überlagerte Drainagerohre und ein Holzstoß, der länger als zwei Jahre stehen bleibt.“ Dort sind zum Beispiel Blindschleichen und Smaragdeidechsen eingezogen. Im Holzstoß hat sie einen streng geschützten Käfer entdeckt: den Alpenbock.
Rauch- und Mehlschwalben tummeln sich als Fliegenfänger im Stall und am Hof. Einer der vielfältigsten Lebensräume sind laut Oberleitner Streuobstwiesen mit unterschiedlichen Obstsorten und -arten.
Wiesenleben durch Bewirtschaftung
„Fest steht, dass man Wiesen mindestens einmal mähen und das Mähgut abtransportieren, muss, um Vielfalt zu fördern“, betont Oberleitner. „Gleichzeitig machen wir Bauern mit der Wiesenbewirtschaftung gute Luft, denn wo es grün ist, gibt es Fotosynthese, im Gegensatz zu Flächen mit altem braunem Gras.“ Gemeinsam mit ihrem Mann Anton probiert sie auf den eigenen Wiesen aus, was Vielfalt und Biodiversität fördern könnte, um das Wissen an Kollegen weiterzugeben.
Vielfalt in der Praxis
„Zum Beispiel düngen wir einen zwei Meter breiten Randstreifen rund um unsere Futterwiesen nicht und lassen dort den zweiten Aufwuchs stehen“, erklärt Oberleitner. „Das lässt die Kräuter blühen. Beim dritten Schnitt mähen wir diesen Streifen wieder mit.“ Auch Wiesenstreifen zwischen Äckern, Wegen und Straßen werden erst nach dem Abblühen gemäht, genauso ein bis zwei Meter breite Waldrandstreifen im Übergang vom Wald zur Wiese, die sie ein- bis zweimal im Jahr mähen.
ÖPUL-Programm UBB passt nicht für jeden und trotzdem kann man Vielfalt leben
„Beim ÖPUL-Programm UBB machen wir nicht mit, weil die Schnittzeitauflagen nicht in unsere abgestufte Wiesenmahd passen“, begründet Oberleitner. „Wir mähen, wenn es für den Bestand auf den Biodiversitätsflächen passt, das kann das eine Jahr im Mai sein und das nächste Jahr im Juni. Damit fördern wir jedes Jahr andere Pflanzen, je nach Mahdzeit sind es beim ersten Schnitt einmal Kräuter und Leguminosen, das andere Mal Gräser.“
Vielfalt bei dreischnittigen Wiesen am höchsten
In Gießhübl erprobt sie mit Schülern die abgestufte Wiesennutzung. Dabei zeigt sie den angehenden Jungbauern, worauf sie achten müssen, um Biodiversität zu fördern. „Die Vielfalt ist bei dreischnittigen Wiesen am höchsten“, hat sie beobachtet. In jeder Klasse unterrichtet sie eine Praxiseinheit Biodiversität. Nicht nur damit multipliziert sie Vielfalt, sondern auch, weil sie über Hofbesuche, die Dorfhelferinnen- und Meisterausbildung ebenfalls viele Betriebe erreicht.
Der Betrieb von Martina und Anton Oberleitner
Martina und Anton Oberleitner bewirtschaften einen konventionellen Milchviehbetrieb mit 40 Kühen, rund neun Hektar Acker und 22 Hektar Grünland in Neuhofen an der Ybbs. Martina hat vor dem Haus Minibiotope angelegt. Sie sind groß genug dafür, dass sich eine geschützte Gelbbauchunke angesiedelt hat.