Gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer Niederösterreich begaben sich Journalistinnen und Journalisten auf eine fachliche Reise in die Welt der heimischen Tierhaltung. Dabei wurde nicht nur gezeigt, dass Tierhalterinnen und Tierhalter in Generationen denken, sondern dass sich der Wunsch nach Tierwohl nicht immer im Kaufverhalten widerspiegelt.
Das Thema Tierwohl ist in der öffentlichen Wahrnehmung in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Die Art und Weise wie Tierhaltung betrieben wird, beschäftigt die Menschen. Einen Qualitätsnachweis für Handel, Gastronomie und Konsumenten schaffen hierbei Kontrollen. Über 1.000 Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter nahmen deshalb bei der Veranstaltungsreihe "Kontrollen am Tierhaltungsbetrieb" teil und informierten sich über aktuelle Kontrollstandards.
Was bei der Veranstaltungsreihe ersichtlich war:
Die bäuerlichen Betriebe sind sich der Bedeutung und Notwendigkeit von Kontrollen für das Image und die Akzeptanz der Tierhaltung bewusst.
Kontrolle schafft Vertrauen.
Tierhalter wollen aktiv beweisen, dass es ihren Tieren gut geht.
Kritik an der Tierhaltung wird ernst genommen.
Der überwiegende Teil der Betriebe hält sich an die gesetzlichen Vorgaben der Tierschutzgesetzgebung und im Fall der Qualitätsprogramme des AMA-Gütesiegels gehen sie freiwillige zusätzliche Verpflichtungen ein.
Wer höhere Tierwohlstandards möchte, muss dass auch mit dem Griff ins Supermarktregal beweisen.
Studie zeigt - Zahlungsbereitschaft bei Tierwohl-Produkten ausbaufähig
Tierwohl ist in aller Munde. Während sich viele Österreicherinnen und
Österreicher für mehr Tierwohl aussprechen, sind allerdings nur wenige bereit, tatsächlich für die
Qualität zu bezahlen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsinstituts
„Keyquest“ deutlich auf. Auf der anderen Seite sehen Tierhaltungsbetriebe Qualitäts- und Tierwohl-Programme sehr wohl als Chance zur Zukunftssicherung ihrer Betriebe. Voraussetzung dafür sei allerdings Planungssicherheit und die Abgeltung der Mehrkosten. „Tierwohl ist ein Produktversprechen, das für Konsumentinnen und Konsumenten nicht durch persönliche Erfahrung überprüfbar ist. Daher ist Vertrauen und Glaubwürdigkeit absolute Voraussetzung für das Funktionieren von Tierwohlprogrammen. Kontrollen sind Mittel zum Zweck, um zu verhindern, dass dieses Vertrauen beschädigt wird“, fasst Johannes Mayr, Geschäftsführer der KeyQUEST Marktforschung, die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit zusammen.
KeyQuest-Studie in Zahlen
In der Studie gaben 77 Prozent der Befragten an, dass die Qualität von Lebensmitteln
für sie zentral sei. 75 Prozent der Befragten bewerteten auch den Umgang mit Tieren als
wichtig, 68 Prozent die Herkunft von Lebensmitteln und 62 Prozent „bio“. Im Supermarkt
greifen viele Menschen dennoch zur Aktionsware.
87 Prozent aller Tierhaltungsbetriebe investieren in höhere Tierwohlstandards
Nimmt man das Investitionsverhalten der Tierhalterinnen und Tierhalter im Förderzeitraum 2014 bis 2022 unter die Lupe, zeigt sich: 87 Prozent aller Tierhaltungsbetriebe investieren freiwillig in Stallungen mit höheren Tierwohlstandards.
Eine Investitionsbereitschaft, die sich sehen lassen kann. Besonders im Schweinebereich zeigt sich allerdings, wie stark sich eine harte Marktsituation auf Neu- und Umbauten im Stall auswirkt. Unklare Rahmenbedingungen aber auch der Preisdruck dämpfen die Freude und den Mut Investitionen in Angriff zu nehmen. „Solange in Österreich Standards ständig hochgeschraubt werden und gleichzeitig Billigimporte von Lebensmitteln unklarer Herkunft und Herstellungsbedingungen zugelassen sind, gefährden wir die Zukunft der heimischen Tierhaltung. Denn die Folge ist, dass heimische Tierhaltungsbetriebe nicht mehr investieren oder gar zusperren müssen und im Gegenzug noch mehr intransparente Lebensmittel aus dem Ausland importiert werden, von denen man nur eines definitiv weiß – nämlich, dass sie zu deutlich niedrigeren Tierwohlstandards, als wir sie in Österreich haben, produziert werden", erklärt Landwirtschaftskammer NÖ-Präsident Johannes Schmuckenschlager.
Kaufen was man fordert
"Man kann doch erwarten, dass man kauft, was man fordert. Am Beispiel Pute sehen wir aktuell leider, dass Betriebe, die in EU-weit höchste Standards investiert haben, in Bedrängnis geraten, weil sie nicht den Absatz generieren können, der ihnen in Aussicht gestellt worden ist. Die Politik muss sich zu langfristigen Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit unter Berücksichtigung der Marktsituation bekennen. Es kann nicht sein, dass ideologische Wünsche von einzelnen NGOs die Tierhaltung in Österreich verunmöglichen“, so Schmuckenschlager.
Transparentes Qualitätsmanagement für mehr Wertschöpfung?
Grundsätzlich sind sich Bäuerinnen und Bauern einig: Sie wollen zeigen, wie gut es ihren Tieren geht. Kontrollen sind hier das Um und Auf, damit Vertrauen und Akzeptanz wachsen kann. Und die Bilanz spricht ganz klar für die heimischen Tierhalterinnen und Tierhalter. Denn Neun von zehn Betrieben haben überhaupt keine Beanstandung – arbeiten also absolut vorbildhaft. "Mir ist es wichtig, dass wir bei Bäuerinnen und Bauern auch kritische Themen ansprechen, denn auch wenn sich niemand über eine (im Regelfall unangekündigte) Kontrolle freut, ist es wichtig zu wissen, wie sie in etwa abläuft, wie man sich vorbereiten kann und worauf Kontrollorgane besonders Wert legen", erklärt Landwirtschaftskammer NÖ-Vizepräsidentin Andrea Wagner und möchte auch in Zukunft entsprechende Weiterbildungsangebote für Bäuerinnen und Bauern anbieten. Aber nicht nur Bäuerinnen und Bauern sind gefragt, wenn es um das Wohl der Tiere geht. Auch die Konsumentinnen und Konsumenten müssen hier ihren Teil dazu beitragen. "Die Bäuerinnen und Bauern erwarten sich zu Recht auch eine bessere Abgeltung für die Erfüllung höchster Standards. Wird der Mehraufwand für mehr Tierwohl nicht nachgefragt und abgegolten, werden Höfe zum Aufgeben gezwungen.“
Tierwohl: Kauf, Kontrolle, Philosphie
Etwa 16.000 Tierhaltungsbetriebe gibt es in Niederösterreich.
Während in der öffentlichen Debatte alle über noch mehr Tierwohl reden und fordern, werden z.B. bei Schweinefleisch, dem beliebtesten Fleisch der Österreicherinnen und Österreicher, im Lebensmitteleinzelhandel gerade einmal fünf Prozent Tierwohlfleisch verkauft.
Das AMA-Gütesiegel steht seit über 30 Jahren für kontrollierte Qualität, nachvollziehbare Herkunft und unabhängige Kontrollen von landwirtschaftlich erzeugten Lebensmitteln.
Aus Niederösterreich nehmen 7.612 Landwirtinnen und Landwirte am AMA-Gütesiegel-Programm teil.
Im Jahr 2023 fanden insgesamt 22.431 systematische Kontrollen statt. 0,39 Prozent wurden insgesamt für Lieferungen ins AMA-Gütesiegel gesperrt.
Handelsketten definieren ihre eigenen Tierwohlstandards.