Österreichs Gemüseproduktion unter Druck: Strenge Auflagen bedrohen die Selbstversorgung
Die Zahlen im Überblick
Während Österreich 1980 noch 83 Prozent seines Gemüsebedarfs aus eigener Produktion decken konnte, sank dieser Wert kontinuierlich auf 73 Prozent (1990), 64 Prozent (2000), 61 Prozent (2010) und liegt aktuell nur noch bei 58 Prozent (2023).
Betriebe unter Druck - Aussichten besorgniserregend
Trotz dieser relativen Stabilität in den letzten Jahren sind die Aussichten besorgniserregend, denn die heimischen Betriebe geraten zunehmend unter Druck. Einer der Hauptgründe: es sind immer weniger wirksame Pflanzenschutzmittel zugelassen. Diese Unsicherheit macht es für viele Bäuerinnen und Bauern unmöglich, langfristig zu planen. Auch Investitionen werden dadurch immer riskanter.
Die Problematik
- Die Zahl der zugelassenen Pflanzenschutzmittel sinkt kontinuierlich, was den Anbau bestimmter Kulturen immer schwieriger macht.
- Gesetzliche Vorgaben sowie strenge Produktionsauflagen durch den Handel steigen stetig, wodurch die Betriebe immer höhere Anforderungen erfüllen müssen.
- Das Resistenzmanagement, also die langfristige Sicherstellung der Wirksamkeit von Pflanzenschutzmitteln, wird zunehmend erschwert.
"Versorgung gefährdet oder sogar unmöglich geworden"
„Unsere Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand. Es sind immer weniger wirksame Pflanzenschutzmittel zugelassen, gleichzeitig steigen die Anforderungen von Gesetzgeber und Handel. Der Produktionsdruck ist enorm und ist teilweise wirtschaftlich nicht mehr tragbar", erklärt Landwirtschaftskammer NÖ-Vizepräsident Lorenz Mayr. Ein Blick auf die einzelnen Gemüsearten zeigt das ganze Ausmaß: Mit Ausnahme von Zwiebeln (134 Prozent) und Karotten (100 Prozent) liegt die Selbstversorgung für nahezu alle anderen Sorten deutlich unter 100 Prozent. "Die Versorgung ist bei wichtigen Kulturen ernsthaft gefährdet oder unmöglich geworden“, beschreibt Karl Auer, Obmann des NÖ Gemüsebauverbandes, die derzeitige Lage.
Was bedeutet das für Österreich? - Heimisches Gemüse durch Importe ersetzen
Wenn die heimischen Betriebe bestimmte Kulturen nicht mehr anbauen können, weil es mittlerweile unmöglich ist, sie gesund bis zur Ernte zu bringen, wird die Abhängigkeit von Importen zunehmen. Jedes Hektar und jedes Kilogramm Gemüse, das in Österreich nicht mehr produziert wird, muss durch Importe ersetzt werden – oft aus Drittstaaten außerhalb der EU, wo ganz andere Produktionsstandards gelten.
Ein Widerspruch: Während in Österreich Pflanzenschutzmittel streng reguliert und teils verboten werden, stammen viele Importprodukte aus Ländern, in denen genau jene Pflanzenschutzmittel weiterhin erlaubt und im Einsatz sind, die hierzulande verboten wurden. Transparenz über Anbau- und Produktionsbedingungen gibt es oft nicht.
Ein Widerspruch: Während in Österreich Pflanzenschutzmittel streng reguliert und teils verboten werden, stammen viele Importprodukte aus Ländern, in denen genau jene Pflanzenschutzmittel weiterhin erlaubt und im Einsatz sind, die hierzulande verboten wurden. Transparenz über Anbau- und Produktionsbedingungen gibt es oft nicht.
Beispiel "Chinakohl": Ohne gesicherte Erträge keine Produktion
„Es geht darum, die Lebensmittelversorgung in unserem Land sicherzustellen. Dafür braucht es auch die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die es möglich machen, angebaute Kulturen gesund bis zur Ernte zu bringen. Andernfalls dreht sich diese Spirale immer weiter nach unten und die Eigenversorgung nimmt ab und Importe zu", gibt Mayr zu bedenken. Das ist derzeit beispielsweise bei Chinakohl der Fall.
So beendete Josef Zachhalmel, Landwirt in Rust im Tullnerfeld, bereits vor zwei Jahren seine Chinakohlproduktion. Und das, obwohl er sich 30 Jahre lang voll und ganz diesem Gemüse verschrieben hatte. Immer restriktiveren Vorgaben und vor allem der Wegfall wirksamer Pflanzenschutzmittel machten es für Zachhalmel unmöglich, weiter an der Produktion dieser Gemüsesorte festzuhalten.
Schädlinge, wie etwa der Kohlerdfloh oder die Weiße Fliege, können nicht mehr wirksam bekämpft werden – es gibt keine Möglichkeit mehr, den Schädlingen Herr zu werden. Erhebliche Schäden und damit Ernteeinbußen sind die Folge.
So beendete Josef Zachhalmel, Landwirt in Rust im Tullnerfeld, bereits vor zwei Jahren seine Chinakohlproduktion. Und das, obwohl er sich 30 Jahre lang voll und ganz diesem Gemüse verschrieben hatte. Immer restriktiveren Vorgaben und vor allem der Wegfall wirksamer Pflanzenschutzmittel machten es für Zachhalmel unmöglich, weiter an der Produktion dieser Gemüsesorte festzuhalten.
Schädlinge, wie etwa der Kohlerdfloh oder die Weiße Fliege, können nicht mehr wirksam bekämpft werden – es gibt keine Möglichkeit mehr, den Schädlingen Herr zu werden. Erhebliche Schäden und damit Ernteeinbußen sind die Folge.
Paradox: Mittel in Deutschland zugelassen
Chinakohl wird unter anderem aus Deutschland importiert – dort sind die Pflanzenschutzmittel, welche die österreichischen Bäuerinnen und Bauern nicht mehr verwenden dürfen, nach wie vor zugelassen.
Umdenken dringend notwendig
Während der Regionalitätstrend weiter voranschreitet und Konsument:innen gerne auf Produkte aus Österreich greifen, steht die Versorgung mit heimischem Gemüse auf dem Spiel. „Wenn Betriebe bestimmte Kulturen nicht mehr anbauen, weil ihnen die Werkzeuge zum Schutz der Pflanzen fehlen, dann ist das ein Warnsignal! Wir brauchen Lösungen, die in der Praxis funktionieren. Wenn wir in Österreich auch in Zukunft eine vielfältige, regionale Gemüseproduktion haben wollen, muss ein Umdenken stattfinden", gibt der Vizepräsident zu bedenken und fordert realistische, praxistaugliche Lösungen, um eine nachhaltige und wirtschaftlich tragfähige Produktion sicherzustellen. Wird die heimische Landwirtschaft weiterhin systematisch geschwächt hat das nicht nur die Abhängigkeit von Importen zur Folge, sondern auch die Qualität und Vielfalt der österreichischen Produkte wird gefährdet.
Werkzeuge mit Präsizionslandwirtschaft und neuen Sorten kombinieren
Doch es braucht nicht nur bewährte Werkzeuge im Werkzugkasten, wie Auer weiß: „Zusätzlich gilt es, alle innovativen Ansätze – von der Präzisionslandwirtschaft bis zur Züchtung widerstandsfähigerer Sorten – konsequent voranzutreiben.“
Alternativen gefordert
Falls Wirkstoffe bzw. Pflanzenschutzmittel wegfallen, ist die Verfügbarkeit von Alternativen oftmals nicht gegeben. Sollte dieser Trend weiter fortgesetzt werden, ist die Versorgungssicherheit gefährdet. „Wenn Wirkstoffe verboten werden, muss es vernünftige Alternativen geben. Gibt es diese nicht, sehen wir am Beispiel Chinakohl, dass die Produktion nicht mehr möglich ist“, erklärt Mayr.
Klimawandel & neue Schädlinge: Pflanzen brauchen Schutz
„Eine alternativlose Verringerung verfügbarerer Pflanzenschutzmittel hat gerade auch aufgrund des Klimawandels und dem dadurch vermehrten Auftreten neuer Schädlinge enorm negative Auswirkungen auf die heimische Versorgungssicherung. Um die Eigenversorgung zu erhöhen, mindestens aber zu erhalten, ist es notwendig, die für die Produktion erforderlichen Betriebsmittel zuzulassen“, ist Vizepräsident Mayr überzeugt. Hier gilt es auch die Gesellschaft entsprechend zu informieren und Bewusstsein dafür zu schaffen, mit wieviel Fachwissen und Sorgfalt Bäuerinnen und Bauern Pflanzenschutzmittel einsetzen.„Entscheidend ist auch, das Bewusstsein in der Gesellschaft dafür zu schärfen, dass unzureichender Pflanzenschutz erhebliche Ernteausfälle und eine Verschwendung wertvoller Ressourcen zur Folge hat. Die heimische Gemüseversorgung darf keinesfalls weiter eingeschränkt, sondern sollte vielmehr gezielt ausgebaut werden“, so der Obmann des NÖ Gemüsebauverbandes.
Sachkundig, professionell und sorgsam: Bäuerinnen und Bauern überlassen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nichts dem Zufall
Hohe Sorgsamkeit beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist natürlich Gebot der Stunde und soll und wird – auch dank der Digitalisierung – weiter fortgesetzt. Ebenso garantieren die hohen Zulassungsstandards in der EU die Sicherheit der eingesetzten Pflanzenschutzmittel.