30 Jahre in der EU: Herausforderungen größer denn je

Feierstimmung wollte beim 30-Jahre-EU-Mitgliedschafts Jubiläum der land- und forstwirtschaftlichen Organisationen Österreichs, Finnlands und Schwedens trotz bester Organisation wenig aufkommen. Zu groß sind die aktuellen und anstehenden Herausforderungen, zu hart ist der Verteilungskampf im Vorfeld des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR), und zu unklar ist, wie die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) weiterentwickelt werden soll.
Moosbrugger: Starke GAP beibehalten
LK-Österreich-Präsident Josef Moosbrugger nützte seine Eröffnungsworte dazu, den anwesenden Festgästen - darunter zwei EU-Kommissarinnen - die Bedeutung einer starken Land- und Forstwirtschaft für die Ernährungs- und folglich Friedenssicherung näherzubringen. “Wir brauchen echte, ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. In den 30 Jahren ist es von einem Extrem - nämlich Überproduktion -ins andere geschwappt, was zu Bauernprotesten geführt hat“, gab Moosbrug ger zu bedenken und betonte, wie wichtig es sei, ausreichend Produktionsmittel zu haben und die kaum noch bewältigbaren Dokumentationspflichten abzubauen. “Wir brauchen in Zukunft eine finanziell starke Gemeinsame Agrarpolitik, um die Leistungsvielfalt auch in Zukunft erbringen zu können, so wie einen Schutz unserer bäuerlichen Familienbetriebe auf den Märkten“, unterstrich der LKÖ Präsident im Hinblick auf Ukraine, Mercosur etc.
In Robotik, KI und Ausbildung investieren
Die Finnin Henna Virkkunen, Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission für technische Souveränität, Sicherheit und Demokratie, will die Land- und Forstwirtschaft ermutigen. Schließlich werde in der EU-Politik ein verstärkter Fokus auf Lebensmittelsicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit gelegt. Für fragende Blicke sorgte hingegen ihre Aussage, dass die Ukraine Nr.-1-Priorität und Chance sei, den Kontinent stabiler zu machen. Die Vorbehalte der Landwirtschaft seien ihr jedoch bekannt, so Virkkunen. Wenige Tage später ließ hingegen EU-Agrarkommissar Christophe Hansen mit der medialen Ankündigung aufhorchen, die Agrarprodukt-Importe der Ukraine einschränken zu wollen. Laut Virkkunen sollen besondere Schwerpunkte im MFR auf Verteidigung, Klimaschutz und Lebensqualität gesetzt werden - so auch für Landwirte. Es gelte, die GAP als “Schlüs elfaktor“ zu vereinfachen. Für besonders wichtig hält sie Innovationen, um die aufkommenden Ziele und Herausforderungen zu bewältigen. Daher strebt die EU-Kommissarin enorme Investitionen in neue Technologien wie etwa Robotik und KI, aber auch in entsprechende Ausbildung und Risikountersuchungen an.
Landwirtschaft und Umwelt verknüpfen
Die Schwedin Jessika Roswall, EU-Kommissarin für Umwelt, Wasser-Widerstandsfähigkeit und wettbewerbsfähige Kreislaufwirtschaft, hob die Vorreiterrolle Österreichs, Finnlands und Schwedens in puncto nachhaltige Land- und Forstwirtschaft, so auch Bio, hervor. Österreich sei ihr insbesondere durch die Verbesserung der Biodiversität auf den Agrarflächen positiv aufgefallen. Wie ihrer Vorrednerin sprach auch sie sich dafür aus, dass Landwirtschaft und Umwelt künftig noch besser zusammenarbeiten - im Sinne der langfristigen Versorgungssicherheit. “Nutzung und Schutz müssen Hand in Hand gehen“, so die EU-Umweltkommissarin, die großes Potenzial in der Bioökonomie ortet, für die sie Ende des Jahres eine Strategie vorstellen will. “Wir haben Ressourcen, Know-how und Bedarf, hier etwas zu tun“, so Roswall, die auch berichtete, eng mit Hansen zusammenzuarbeiten, was zwischen Umwelt- und Agrarkommissar zuletzt nicht immer so gewesen sei.
Neue Einkommensfelder
Das wurde auch vom Leiter der Generaldirektion Landwirtschaft der EU-Kommission, Wolfgang Burtscher, bestätigt, der diese verstärkte Abstimmung als “große Chance“ bezeichnete, um “Zukunftsherausforderungen besser anpacken“ zu können. Angesichts von Corona und Kriegen sei ein Bewusstsein entstanden, wie wichtig der "Bauernhof um die Ecke“ sei - in allen Ländern und allen Regionen. “Das wird uns bei der Ausgestaltung des Budgets helfen“, so Burtscher, der auch die große Vielfalt der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe und die damit verbundenen Herausforderungen in der GAP zur Sprache brachte. Als Zukunftsschlüssel zur Motivation der bäuerlichen Jugend wertet Burtscher faire Einkommen. Dazu gelte es sicherzustellen, dass Agrarprodukte nicht unter dem Produktionswert verkauft werden müssten - ein Thema, an dem gearbeitet wird. Aber auch die öffentlichen Gelder haben große Bedeutung, wobei die Verteilung der Direktzahlungen wieder in den Fokus der Diskussionen gelangen dürfte. Außerdem ortet Burtscher “Geld auf der Straße“, was neue Einkommensfelder im Nachhaltigkeitsbereich betrifft - von Bioökonomie, Biogas über CO2-Speicherung bis zu PV. Für wichtig hält der mit Ende April in den Ruhestand gehende Generaldirektor ferner eine Vereinfachung, Digitalisierung und vergleichbare Tierwohl- und Pflanzenschutz-Standards bei Importen.

"Single Plan“ bringt GAP in Bedrängnis
Intensiv diskutiert wird in der EU-Kommission über den MFR, da Corona-Hilfen rückzuzahlen und neue Herausforderungen, etwa im Verteidigungsbereich, zu bewältigen sind. Die Versorgungssicherheit müsse höchste Priorität haben und GAP sowie MFR das abbilden, unterstrich der Generaldirektor, der einmal mehr an die Branche appellierte, positive Wirkungen besser messbar und kommunizierbar zu machen.
Allgegenwärtig war bei der Veranstaltung und in den an schließenden Gesprächen auch die von der EU-Kommission gestartete Diskussion rund um den sogenannten “Single Funds“ bzw. “Single Plan“. Dieser könnte dazu führen, dass die Mitgliedstaaten - je nach politischer Ausrichtung - selbst entscheiden, wie sie ihren von der EU zugewiesenen Finanztopf für einzelne Sektoren verwenden. “Das wäre der Anfang vom Ende der Gemeinsamen Agrarpolitik. Gleichzeitig würde es den Wettbewerb im EU-Raum weiter verschärfen“, warnte Moosbrugger.
Allgegenwärtig war bei der Veranstaltung und in den an schließenden Gesprächen auch die von der EU-Kommission gestartete Diskussion rund um den sogenannten “Single Funds“ bzw. “Single Plan“. Dieser könnte dazu führen, dass die Mitgliedstaaten - je nach politischer Ausrichtung - selbst entscheiden, wie sie ihren von der EU zugewiesenen Finanztopf für einzelne Sektoren verwenden. “Das wäre der Anfang vom Ende der Gemeinsamen Agrarpolitik. Gleichzeitig würde es den Wettbewerb im EU-Raum weiter verschärfen“, warnte Moosbrugger.
Schweden “zu sehr in der Vorreiterrolle“
Abschließend vermittelten Nikolaus Berlakovich, Europa-Parlamentarier Alexander Bernhuber und die Vizepräsidentin des Europäischen Rates der Junglandwirte, Katharina Schobesberger, bei den Diskussionsrunden der Veranstaltung die Anliegen der europäischen Bäuerinnen und Bauern. Aufhorchen ließ der schwedische Bauernverbands-Präsident Palle Borgström mit der Aussage, dass Schweden “zu sehr Vorreiter“ gewesen sei und “seine Lehren daraus ziehen musste“. “Wir hatten zu hohe Kosten und haben Wettbewerbsfähigkeit verloren“, berichtete Borgström, der sich auch dafür aussprach, mehr Geld in die Konsumentenbildung zu investieren.