In der Nacht kamen die Vampire
Bäuerin Isabella St. aus Maria Saal lässt sich normalerweise nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Was sich jedoch in den vergangenen Nächten abgespielt hat, könnte dem Film Dracula entnommen sein. Kaum war es dämmrig geworden, krochen die Vampire aus ihren Verstecken und machten sich über ihre wehrlosen Opfer her. Waren die nächtlichen Quälgeister erst noch ganz blass, so waren sie nach vollendeter Mahlzeit blutrot vom Lebenssaft ihrer Opfer.
Zur Klarstellung: Die Opfer waren die 15 Hühner und der Hahn der Nebenerwerbslandwirtin und die Täter Milben, genauer gesagt: Vertreter der Gattung Rote Vogelmilbe.
Was hatte die Hühnerhalterin in letzter Zeit bei ihren Hühnern beobachtet? Das erste Symptom, welches ihr auffiel, war das etwas zerzauste Federkleid ihrer Hühner. Sie hatten sich wegen Juckreizes ihr glattes Federkleid zerkratzt, am Boden lagen auch mehr abgebrochene bzw. ausgezupfte Federn herum. Insgesamt kam ihr die Hühnerschar unruhiger, nervöser vor. Auffallend war auch, dass die sonst so schönen roten Kämme der Tiere immer blasser wurden. Auch verringerte sich die Legeleistung in letzter Zeit um einige Eier und dies, obwohl ihr vorkam, dass die Hühner fast ein bisschen mehr Futter aufnahmen als früher. Es erschien ihr auch so, dass sie nicht gerne in den kuschligen Strohnestern sitzen wollten, da die Hühner oft länger unschlüssig davor hin- und her trippelten. Einzelne Eier waren einfach am Boden gelegt worden. Auch beim "Schlafengehen" machten die Hühner Faxen wie kleine Kinder und mussten fast in den Stall zurückgescheucht werden. Eine Zwerghenne hatte auf zehn Eiern gebrütet und nach zwei Wochen plötzlich das Nest verlassen. Und dann waren da plötzlich so kleine, vielleicht einen Millimeter große, bewegliche Pünktchen auf den Eiern.
Isabella St. schickte ihrer Tierärztin via Whatsapp einige Bilder von den Eiern und den Hühnern. Diese tippte sofort auf Befall mit der Roten Vogelmilbe. Auf ihren Rat hin umwickelte die Hühnerhalterin die Sitzstangen links und rechts mit doppelseitigem Klebeband, und schon am nächsten Tag waren darauf festgeklebte Milben festzustellen. Unter einem vorsichtig entfernten Brett konnte sie auch ein Massenlager der Milben entdecken, in dem sich das nachtaktive und lichtscheue Gesindel tagsüber versteckte. Nachdem sie sich auch noch in der Nacht mit einer Taschenlampe bewaffnet in den Hühnerstall geschlichen hatte und die roten Biester überall krabbeln sah, war klar, dass sie etwas unternehmen musste. Da sich diese Milben tagsüber in Fugen, Ritzen oder unter alten Einstreuresten und Kotkrusten zurückziehen, sind gerade selbst "zusammengezimmert"“ Hühnerställe gute Milbenquartiere. Aber auch professionelle Legehennenhalter haben mit dieser Plage zu kämpfen, da nicht einmal deren Stallungen mit perfekter Bauweise vor den kleinen Blutsaugern sicher sind. Nur beim Mastgeflügel werden die Milben seltener gefunden, da dort meist im Rein-Raus-Betrieb gefahren wird und Stallungen auf Grund der kürzeren Verweildauer der Tiere öfter gereinigt und desinfiziert werden. Gerade im warm-feuchten Sommer kann sich die Rote Vogelmilbe unter optimalen Bedingungen rasant vermehren.
Gut erkannt - gut gelöst
Interessante tierärztliche Fälle aus der Praxis, von Tierärztinnen und Tierärzten sowie Bäuerinnen und Bauern beschrieben, finden Sie im Rahmen einer neuen Serie des Kärntner Bauer. Der Titel: „Gut erkannt, gut gelöst“.
Die aktuelle Fallbeschreibung entstand in Zusammenarbeit mit Dr. Eva-Maria Holzheu, Pörtschach am Wörther See.
Sollten auch Sie einen interessanten Praxisfall gehabt haben, kontaktieren Sie: Mag. Kurt Matschnigg, Referat Tierproduktion, LK Kärnten, Tel.-Nr.: 0676/835 555 50.
Tipps zur Parasitenbekämpfung
Gemeinsam mit ihrer Tierärztin erstellte die Hühnerhalterin ein ganzes Bündel an Maßnahmen, um diese lästigen Parasiten wieder loszuwerden:
Zum Schluss bekamen die Hühner noch eine Mischung aus Himalaya-Zeder, Indischer Gelbwurz, Schwarzem Pfeffer und Ingwer in ihr Futter gemischt. Nach etwa einer Woche hatte sich die Milbensituation im Hühnerstall von Frau St. wieder beruhigt, Kieselgur und Urgesteinsmehl bleiben dauerhaft im Einsatz.
- Generalreinigung: Boden, Wände, Sitzstangen, Legenester wurden zuerst besenrein gemacht. Alle möglichen Milbenquartiere wurden eruiert und wenn möglich saniert (unnötige Brettervernagelungen, rissige Sitzstangen usw.). Vermutete Verstecke sollten eventuell auch durch Demontage vorübergehend aufgemacht bzw. eliminiert werden. Unter abgeschraubten Brettern und Stangen konnten die massenhaften Ansammlungen der - roten = vollgesaugten oder gräulichen = nicht voll gesaugten - Milben entdeckt werden.
- Vernichtung der Milben in ihren Verstecken: Entweder setzt man dabei auf die chemische Keule mit dem Einsatz von verschiedenen Bioziden, wobei hier die Auswahl eher klein ist. Es gibt im Handel einige Präparate zum Ausstreuen oder zum Verdampfen, was jedoch nur im leeren Hühnerstall möglich ist. Ebenso gibt es im Handel Mittel, welche Kaliseife und Glyzerin beinhalten (z.B. Milbozid-Natur-Öl). Man kann zum Bestreichen der Sitzstangen aber auch billiges Rapsöl aus der Küche nehmen. Abflammen wäre auch ein probates Mittel, ist in Holzställen aber gefährlich. Auch die Behandlung mit Heißluft ist eher mühsam. In der tierärztlichen Hausapotheke gibt es ein Tierarzneimittel, welches den Hühnern über das Trinkwasser verabreicht wird und von den Milben beim Saugakt mit dem Blut aufgenommen wird. Diese Wirkung hält über einen längeren Zeitraum an, weshalb es auch zu einer massiven Milbenreduktion in der Umgebung führt. Auf Eier gibt es dabei zwar keine Wartezeit, wohl aber 14 Tage auf Fleisch, und das Mittel sollte nicht ins Abwasser gelangen.
- Reinigung: Anschließend wurde - wo möglich - mit dem Hochdruckreiniger der Stall gereinigt.
Zum Schluss bekamen die Hühner noch eine Mischung aus Himalaya-Zeder, Indischer Gelbwurz, Schwarzem Pfeffer und Ingwer in ihr Futter gemischt. Nach etwa einer Woche hatte sich die Milbensituation im Hühnerstall von Frau St. wieder beruhigt, Kieselgur und Urgesteinsmehl bleiben dauerhaft im Einsatz.
Milben im Hühnerstall
- Rote Vogelmilbe: Bis 1,5 mm große Milbe mit vier Entwicklungsstadien. Die Entwicklungsdauer ist temperaturabhängig, bei Wärme (über 25 °C) und Feuchte innerhalb einer Woche! Weibchen überleben im Schnitt etwa 20 Tage in leeren Hühnerställen, aber auch bis zu neun Monate. Tagsüber versteckt in Ritzen und Fugen, saugen Nymphen und erwachsene Milben in der Nacht bei den Hühnern Blut. Ihr Aktionsradius beträgt dabei rund 80 Zentimeter. Achtung: Auch Menschen werden als Fehlwirte befallen!
- Nordische Vogelmilbe: Sie lebt dauerhaft am Huhn, besonders unter den Flügeln oder im Flankenbereich. Sie bohrt sich in die Haut oder Federkiele ein und saugt Blut oder Lymphe. Sie liebt eher kühlere Temperaturen. Der Befall ist meist nicht so dramatisch wie bei der Roten Vogelmilbe. Sie ist als kleine, dunkle Pünktchen auf der Haut am Federkiel erkennbar (rot, wenn sie vollgesogen sind). Die Behandlung ist ähnlich wie bei der Roten Vogelmilbe, aber besonders auch am Huhn notwendig. Dem Sandbad sollten eventuell zusätzlich Schwefelblüten hinzugefügt werden.
- Kalksteinmilbe: Sie nistet zwischen den Schuppen an den Beinen der Hühner. Zuerst spreizen sich nur die Schuppen, dann bilden sich graue Auflagerungen, manchmal kalkig verhärtet. Die Behandlung muss direkt am Tier bzw. an den Beinen mit systemisch wirksamen Mitteln, Ölen bzw. über Futterzusätze erfolgen.