Ohne Landwirtschaft kein Tourismus
Nachdem sich Wien, Vorarlberg und Salzburg bei den letzten Juli-Treffen präsentiert hatten, lud heuer die LK Tirol in den Bezirk Landeck, genauer gesagt ins Paznauntal. Ziel war es, allen Präsidenten und Kammerdirektoren - neben dem üblichen Sitzungsmarathon - auch regionale Besonderheiten vor Augen zu führen. Landeck ist der tourismusintensivste Bezirk Tirols mit 8,2 Mio. Nächtigungen und dem höchsten Anteil an extremen Bergbauernbetrieben. Es handelt sich praktisch um einen reinen Grünlandbezirk, in dem die über Generationen praktizierte Realteilung der Betriebe zu einer Klein- und Kleinststruktur geführt hat, wie LK-Tirol-Präsident Josef Hechenberger berichtete. So bewirtschaftet ein durchschnittlicher Bauernhof dort 5,5 ha und hält 4,5 Kühe. Nahezu alle Betriebe werden im Nebenerwerb geführt, derzeit gibt es rund 230 Milchlieferanten und 100 Almen, davon 26 Sennalmen.
“Übernachtungseuro“ für die Landwirtschaft
“Es zeigt sich, dass die Maßnahmen, die wir im Zuge der letzten GAP-Reform umgesetzt haben - wie etwa zur Stärkung der kleinen Betriebe in den extremsten Lagen oder die Forcierung des Almauftriebs - gerade für solche Regionen unverzichtbar sind. Diese Täler haben nur eine Zukunft mit einer vitalen Landwirtschaft. Im Rahmen der GAP alleine können wir diese Betriebe aber nicht zukunftsfit machen. Dafür braucht es deutlich mehr“, betonte LK-Österreich-Präsident Josef Moosbrugger. “Wenn Tourismus und Landwirtschaft Hand in Hand arbeiten, können auch kleine landwirtschaftliche Betriebe erfolgreich in die Zukunft geführt werden“, ergänzte Hechenberger und präsentierte mit der großteils regional vermarktenden Hofkäserei des Heumilchbauern Hermann Huber in Galtür ein Positivbeispiel. Da jedoch oft die Herausforderungen auf den Betrieben überwiegen, fordert Moosbrugger etwa, dass der ohne Landwirtschaft undenkbare Tourismus künftig eine Art “Übernachtungseuro“ o. Ä. zum Erhalt der Bauernhöfe zur Verfügung stellt - ausgehend von Modellregionen.
Qualitätsstufen statt Haltungsform
Ein Thema, das viele Bäuerinnen und Bauern massiv beschäftigt bis erzürnt, sind die steigenden Anforderungen von EU-Politik und Handel. Diese kamen bei der Besichtigung des 9,4 ha umfassenden Nebenerwerbsbetriebes von Sarah und Gerhard Siegele in Kappl mit extremer Steillage zur Sprache. Der hauptberufliche Metallbautechniker warnte vor den steigenden EU-Auflagen, da sich seine Rinderwirtschaft schon bisher kaum rentiere, und berichtete von seiner aufwendigen Umstellung von Anbindehaltung auf Laufstall. Er wies jedoch darauf hin, dass nicht alle dortigen Betriebe diese Möglichkeit hätten und Kombinationshaltung in der Region weit verbreitet sei. Auch Moosbrugger und Hechenberger betonten, dass ein System, das für das deutsche Flachland passe, nicht unbedingt für extreme Tiroler Steillagen geeignet sei. Daher dürfe nicht alles über einen Kamm geschoren werden. “Es braucht mehr Flexibilität. Auch Nachhaltigkeit, regionales, hochwertiges Futter aus dem Alpenraum, die Tier-Mensch-Beziehung, der Sommerauslauf und mehr, was solche Betriebe praktizieren, ist wertvoll. Wir setzen uns daher für eine Gesamtbetrachtung in Form von Qualitätsstufen ein, die Haltung, Herkunft und Qualität gleichermaßen umfassen und einen Mehrerlös für die Betriebe bringen“, betonte Moosbrugger. “Es kann nicht sein, dass der Handel einseitig immer mehr vorgibt und unsere Betriebe mit Abschlägen kämpfen müssen. Die Produzenten müssen den Ton angeben“, so der LKÖ-Präsident.
Wolf, Tierärztemangel und Naturgefahren
Als größte aktuelle Sorge nannte Johannes Reinalter bei der Besichtigung seines Milchvieh-, Forellen- und Urlaub-am-Bauernhof-Betriebs den nahenden Pensionsantritt des regionalen Tierarztes, der rund 300 Betriebe im Paznaun- und einem angrenzenden Tal betreut. Es müsse gelingen, mehr junge Menschen für den Beruf des Nutztierarztes zu gewinnen, unterstrichen auch Moosbrugger und Hechenberger. Mehrfach betont wurde von Politik und Betrieben auch, wie wichtig die Bestoßung der Almen und Bergwiesen und die multifunktionale Bewirtschaftung der mehrheitlich vorhandenen Schutzwälder seien, um Naturgefahren vorzubeugen. Welche Naturgewalt in den Bergen vorhanden ist, wurde auch bei der Führung durch das Alpinarium in Galtür durch Landeshauptmann Anton Mattle persönlich deutlich, der zur Zeit der Lawinenkatastrophe 1999 dort als Bürgermeister tätig war.
Gemeinsam mit Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, ebenfalls Tiroler, unterstrich auch er die enorme Bedeutung der Land- und Forstwirtschaft für den Erhalt und die Versorgung der Regionen und dass es gelingen müsse, große Beutegreifer wie den Wolf mit geeigneten Gegenmaßnahmen in den Griff zu bekommen.