Die langjährig geforderte Fischotter-Verordnung ermöglicht nun durch Entnahmen, das Management des Fischotters an Teichanlagen in Teilen Niederösterreichs.
Die Niederösterreichische Landesregierung hat in ihrer Regierungssitzung am 26. November eine Fischotter-Verordnung beschlossen. Dadurch sind im Bundesland Ausnahmen vom europaweiten strengen Schutz des Fischotters (Lutra lutra) möglich. Die Verordnung gilt an Teichanlagen (im Umkreis von 50 m) in der kontinentalen biogeografischen Region (siehe dazu Bild 1), weshalb nur hier Fischotterentnahmen erlaubt sind. Insgesamt dürfen höchstens 50 Fischotter pro Kalenderjahr entnommen werden, wobei im Verwaltungsbezirk Gmünd aufgrund der großen Anzahl an Teichanlagen höchstens 15 und in den übrigen Bezirken des Entnahmegebietes höchstens fünf entnommen werden dürfen. Niederösterreichs Teichwirtschaften sind bereits massiv unter Druck geraten, eine punktuelle Erleichterung der Situation wird nun erhofft.
Teichwirtschaften in Niederösterreich: Warum ist die Otterverordnung nötig?
Niederösterreichweit gibt es mehr als 7.000 Teiche, davon werden über 4.200 für die Fischproduktion genutzt. Der Großteil der Teiche, nämlich über 3.000, liegt im Waldviertel und der Gmünder Bezirk nimmt dabei eine Sonderstellung ein, liegen doch fast die Hälfte der Waldviertler Teiche in diesem Bezirk (Quelle: Bundesamt für Wasserwirtschaft, Ökostation Waldviertel). Daher wurde für den Gmünder Bezirk auch ein höheres Entnahmekontingent beschlossen. Die Karpfenteichwirtschaften, wie sie vor allem in Niederösterreich aber auch in der Steiermark bestehen, tragen durch ihre Multifunktionalität zu einer vielfältigen, lebenswerten Kulturlandschaft bei. Der Wasserrückhalt wirkt sich positiv auf das Mikroklima aus und die traditionelle Bewirtschaftung bewahrt einen Hotspot der Ökologie, da sich hier viele Tier- und Pflanzenarten finden, die nur aufgrund der künstlich angelegten Teiche vorkommen. Die Teichlandschaften sind also ein wertvoller Beitrag zum Naturschutz und fungieren als Ersatzfeuchtlebensräume in einer vom Menschen geprägten Kulturlandschaft (mehr dazu in der Broschüre "Teiche in der Landschaft"). Man spricht in der Fachsprache von den sogenannten Ökosystemdienstleistungen der Teiche. Sehr viele Teiche bzw. Teichwirtschaften liegen deshalb in einem Natura 2000 Gebiet. Hier ist laut Verordnung ohnehin keine Entnahme möglich, da der Fischotter dort ein sogenanntes Schutzgut ist.
Die Teiche können ihre vielfältigen Funktionen aber nur erfüllen, wenn sie auch fachgerecht bewirtschaftet werden. Ohne Bewirtschaftung verlanden sie und führen damit zum Verschwinden des Gewässers und der vielfältigen Ökosystemdienstleistungen, die sie erbringen. Die Bewirtschaftung muss aber die Existenz der Teichwirtschaften, die meist als Familienbetriebe geführt werden, gewährleisten. Nur, wenn man auch davon leben kann, kann man eine Teichwirtschaft betreiben. Nach einer vom Umweltbundesamt durchgeführten aktuellen Umfrage unter Fischproduzenten, liegt die jährliche Verlustrate im Schnitt bei 30 Prozent. Das hört sich zunächst nicht viel an, aber welche Branche kann schon jedes Jahr Einkommensverluste von 30 Prozent verkraften? Manche Teiche, die für den Fischotter günstig liegen und eine geringe Größe haben, wo der Fischotter gut jagen kann, weisen sogar einen Ausfall von 80 bis 100 Prozent auf. Zum Vergleich, ein wirtschaftlich verkraftbarer Verlust liegt in der Speisefischproduktion bei 3-5%. Die Teichwirte beklagen mittlerweile seit über 30 Jahren Probleme durch Fischotter, wobei sich die Lage im letzten Jahrzehnt aufgrund der immer größer werdenden Otterpopulation extrem zugespitzt hat.
Einzäunung nur für Kleinteiche sinnvoll und nicht für alle Teiche möglich
Bisher kommen in Teichwirtschaften vor allem Teichzäunungen zum Einsatz, um einen Ausfraß durch Fischotter zu verringern. Diese Einzäunungen machen vorrangig bei Kleinteichen Sinn. Größere Teiche ab etwa einem Hektar sind aus wirtschaftlichen und technischen Gründen nicht sinnvoll zäunbar, auch gibt es viele Spezialfälle wie beispielsweise bei Geländeunebenheiten, die eine Einzäunung schwierig machen oder auch Teiche die im Hauptschluss liegen. Das sind Teiche, die direkt vom Bach ohne Umleitergerinne durchströmt werden. Dort kommt es zu Problemen mit der Wasserrechtsbehörde, wenn durch das Fließgewässer ein Zaun verläuft, denn der Hochwasserschutz muss immer gewahrt bleiben. Die Kleinteiche machen zwar anzahlsmäßig den Großteil aus, jedoch sind sie flächenmäßig in der Unterzahl. So kann man grob sagen, dass rund 80 Prozent der Teichfläche des Waldviertels aus den genannten Gründen nicht einzäunbar sind. Hier ist wichtig, dass andere bereits getestete Vergrämungsmethoden für Otter wie akustische Mittel oder Duftstoffe sich als unwirksam erwiesen haben. Zuletzt wurde intensiv in der Fachberatung daran gearbeitet, brauchbare Einzäunungslösungen für den jeweiligen Teich zu finden. Herausfordernd sind die Zufahrt mit der entsprechenden Anordnung der Tore oder auch die Gewährleistung funktionsfähiger Zäune, indem sie im Winter von Schnee freizuräumen, oder im Sommer von hohem Gras auszumähen sind.
Entschädigungen – Geldmittel reichten bisher nicht aus
Für jene Teiche, die nicht sinnvoll zäunbar sind, gab es in den letzten Jahren auch eine Entschädigungszahlung für Ausfraßschäden durch Fischotter. Hier ist wichtig zu betonen, dass dies lediglich als Teilentschädigung zu werten ist, da die Geldmittel in den letzten Jahren nie ausgereicht haben, den tatsächlichen Schaden abzugelten, auch wenn laufend das Budget durch die NÖ Landesregierung aufgestockt wurde. Im Schnitt wurden die Betriebe nur zu etwa 50 Prozent für den Ausfraß an Karpfen entschädigt, wertvolle andere Fischarten wie etwa Zander wurden jedoch nicht berücksichtigt.
Welche Eingriffe erlaubt nun die neue NÖ Fischotter-Verordnung?
Nur wenn Teicheinzäunungen nicht ausreichend zielführend umsetzbar sind, ist die Entnahme eines Fischotters laut der neuen NÖ Fischotter-Verordnung erlaubt. Sie muss von fachkundigen Personen, die eine Teichanlage betreiben und über entsprechende Jagdkenntnisse bzw. -befugnisse verfügen, durchgeführt werden. Außerdem müssen auf der Website der Landesregierung NÖ tagesaktuelle Informationen zum Fischotterkontingent eingeholt werden, um eine Einhaltung der Entnahmehöchstmenge zu garantieren. Erlaubt ist ein ganzjähriger Fallenfang mit Abfangsystemen, wie sie jagdrechtlich zulässig sind. Nachwuchs führende Weibchen dürfen nicht entnommen werden. Um diese zu schützen, ist ein Direktschuss nur im Zeitraum von 1. November bis 28. Februar zulässig, da sie in diesem Zeitraum im Allgemeinen in Niederösterreich nicht führend sind. Jede Entnahme ist mit dem in der Verordnungsanlage 3 angeführtenFormular der Landesregierung innerhalb von 24 Stunden zu melden. Zur Beweissicherung, Kontrolle und Begleitdatenerhebung sind diese dann 48 Stunden ab Meldung der Landesregierung zur Verfügung zu halten. Diese ist angewiesen, Kontrollen der Fischotter durchzuführen. Weitere Regelungen sind der Verordnung selbst zu entnehmen.
Sorgfältige Interessensabwägung zur Fischotter-Verordnung im Hintergrund
Die vorgeschriebene und durchaus komplexe Regelung der Otterentnahme zeigt die seitens des Landes bedachte Vorgehensweise beim Eingriff in die Population und stellt aufgrund der sehr geringen Entnahmezahl jedenfalls keine Bedrohung der Fischotterpopulation Niederösterreichs, wie sie von NGOs befürchtet wird, dar. Europäisches Naturschutzrecht wird nicht wie befürchtet „ausgehebelt“, da regelmäßige Bestandszählungen die Entwicklung der Otterpopulation genau beobachtet und auch seitens der EU-Kommission der Erhaltungszustand als „günstig“ bestätigt wurde. Die aktuellen Otter-Bestandszahlen für Niederösterreich wurden vom Büro Kofler Umweltmanagement im Auftrag des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung, Abteilung Naturschutz erhoben (link zum Bericht findet sich am Ende). Sie zeigen für den Fischotter einen günstigen Erhaltungszustand mit einem Gesamtbestand von 831-1.307 Individuen bzw. 623-981 adulten Tieren. Kofler führt aus, dass laut Flora Fauna Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) eine stabile Population in einem natürlichen Habitat gefordert wird. Weiters schreibt er in seinem Bericht: „Die Fischotterpopulation wird zurzeit durch die Teichwirtschaft künstlich gestützt, da diese Teiche ein zusätzliches unnatürlich hohes, kontinuierliches Nahrungsangebot darstellen.“ Das bedeutet in den Gegenden, wo viele Fischteiche vorhanden sind, gibt es auch überproportional viele Fischotter. Weiters schreibt er: „Damit ist der Bestand für die kontinentale Region als günstig zu bewerten, da die Population ausreichend viele Individuen umfasst, diese im Austausch mit Fischottern aus Tschechien, Slowakei, Ungarn etc. stehen und die genetische Variabiliät nicht zu gering scheint.“ Ausgehend von der fachlich fundierten Einschätzung und den Bestandszahlen kann nicht davon gesprochen werden, dass die Fischotterpopulation in Niederösterreich weiterhin bedroht ist. Außerdem liegt eine jährliche Entnahme von 50 Tieren weit unter der jährlichen Zuwachsrate von 20 % der Fischotterpopulation, das wären bei einem aktuellen Bestand von rund 1.000 Individuen etwa 200 Fischotter.
Auch Entschließungspapier des EU Parlaments weist auf Fischfresserproblematik hin
Auch das Europäische Parlament hat die Problemsituation längst erkannt und das Thema bereits in ihrer Entschließung vom 12. Juni 2018 behandelt. Unter Punkt 38 weist das EU Parlament „nachdrücklich auf die derzeitige Lage der europäischen Teichwirte hin, die aufgrund von Räubern, wie Ottern, Fischreihern und Kormoranen, mit erheblichen Verlusten, die ihren gesamten Bestand betreffen, zu kämpfen haben; betont, dass diese Räuber auch den Laich von Zander und Karpfen töten und folglich die Zucht und die Reproduktion von Süßwasserfischen erheblich einschränken; fordert die Mitgliedstaaten deshalb auf, für Fischreiher und Kormorane von den geltenden Ausnahmeregelungen Gebrauch zu machen, und fordert die Kommission auf, den Erhaltungsstatus des Otters zu überprüfen und gegebenenfalls den Abbau und die Kontrolle der Bestände dieser Räuber zuzulassen;“
Zusammenarbeit der Bundesländer gefragt
Bei der Überprüfung des Erhaltungszustandes des Otters, also bei den Zählungen der Tiere ist die Zusammenarbeit der Bundeländer von höchster Priorität. Naturschutz liegt in der Kompetenz der Länder, weshalb die Bestandszahlen je Bundesland getrennt erhoben werden. Kürzlich hat das Umweltbundesamt erstmals die verschiedenen Länderzählungen in einer vom Europäischen Meeres- und Fischereifond (kurz EMFF) geförderten Studie zusammengetragen. Ein Überblick der Fischotterbestände ist in der untenstehenden Grafik zu sehen.
Regelungen sind in den Bundesländern sehr unterschiedlich – Teichwirte befürchten Wettbewerbsverzerrung
Aktuell gibt es in Niederösterreich zu Problemtierarten der Teichwirtschaft Ausnahmeregelungen (Graureiher, Kormoran, Biber und Fischotter) während es im zweiten Zentrum der Teichwirtschaft in der Steiermark, keine einzige Ausnahmeregelung gibt, was aus Sicht der Teichwirte extrem wettbewerbsverzerrend ist. Neben Niederösterreich gibt es in Oberösterreich und Kärnten auch Ausnahmeregelungen bei Fischottern. Auch bei der Errichtung von Fischotterzäunen erhalten die Teichwirte und Fischzüchter je nach Bundesland teilweise höchst unterschiedliche finanzielle Teil-Unterstützung. Das ist aus Sicht der Fachberatung schwierig zu vermitteln.
Fazit
Zusammenfassend zeigen die Daten, dass der Fischotter nicht mehr vom Aussterben bedroht ist, im Gegenteil es kann sogar von einem naturschutzfachlichen Erfolgsprojekt gesprochen werden. Das würden sich die Fischer auch für viele Fischarten wünschen. Der strenge rechtliche Schutz und wiederkehrende Bestandszählungen garantieren, dass er als Teil der österreichischen Kulturlandschaft bestehen bleibt. Gleichzeitig bedarf es einem Schutz der Teichwirtschaften, die nur aufgrund der Bewirtschaftung bestehen und einen wichtigen Beitrag für die Allgemeinheit leisten (Stichwort Ökosystemdienstleistungen). Den Wert der Teiche erkennt man gerade in Hitzeperioden, die im Zuge der Klimakrise spürbar zunehmen. Die Teiche halten wichtiges Wasser in der Landschaft zurück und bieten Antworten auf den Klimawandel, weshalb sie ebenfalls schützenswert im Sinne des öffentlichen Interesses sind. Ihr Fortbestand ist nur mit einer Reduktion der Ausfraßschäden möglich, daher leistet die Niederösterreichische Otter-Verordnung hier einen wesentlichen Beitrag. Man hat es sich seitens der Behörden hier sicherlich nicht leicht gemacht, die verschiedenen Interessen abzuwägen. Es zeigt sich, dass man auch mutige politische Entscheidungsträger braucht, die viele Aspekte zu berücksichtigen verstehen und nicht nur eine einzige Art.