Wie kommt der Hemmstoff in die Milch?
Die Hintergründe
Als Hemmstoffe werden Substanzen bezeichnet, die das Wachstum von Mikroorganismen hemmen (bakteriostatisch) oder auf diese abtötend (bakteriozid) wirken. Solche Stoffe werden deswegen auch zur Erregerbekämpfung bei Erkrankungen und Entzündungen oder zur Reinigung und Desinfektion verwendet. Hemmstoffe bezeichnen daher nicht nur die Gruppe der Antibiotika, sondern alle Mittel, die dazu bestimmt sind, schädliche Lebewesen abzutöten oder deren Wachstum einzudämmen.
Da Antibiotika aber die wichtigste Gruppe der möglichen Rückstände in der Rohmilch sind und diese auch in schon sehr geringen Konzentrationen Probleme verursachen können, sollte hier der Hauptfokus liegen, wenn es um Hemmstoffe in der Milch geht. Aber auch Reinigungs- oder Desinfektionsmittel gehören zur Gruppe der Hemmstoffe. Hier wäre allerdings die notwendige Rückstandmenge in der Rohmilch für einen Hemmstoffnachweis so hoch, dass bereits sensorisch Veränderungen an Farbe/Geruch/Geschmack oder bei der Zusammensetzung der Milch erkennbar wären.
Da Antibiotika aber die wichtigste Gruppe der möglichen Rückstände in der Rohmilch sind und diese auch in schon sehr geringen Konzentrationen Probleme verursachen können, sollte hier der Hauptfokus liegen, wenn es um Hemmstoffe in der Milch geht. Aber auch Reinigungs- oder Desinfektionsmittel gehören zur Gruppe der Hemmstoffe. Hier wäre allerdings die notwendige Rückstandmenge in der Rohmilch für einen Hemmstoffnachweis so hoch, dass bereits sensorisch Veränderungen an Farbe/Geruch/Geschmack oder bei der Zusammensetzung der Milch erkennbar wären.
Antibiotika: Gezielter Einsatz - professionelle Behandlung - Schutz der Tiere
Seit der Einführung von Penicillin sind Antibiotika für die Behandlung bakterieller Infektionen bei Mensch und Tier nicht mehr wegzudenken. Durch die weite Verbreitung und die Häufung von bakteriellen Erkrankungen gehören Antibiotika somit auch zu den am häufigsten verschriebenen und angewendeten Arzneimitteln in der Veterinärmedizin.
Der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung ist seit vielen Jahren ein wenig in ein schiefes Licht gerückt. In einer modernen Tierhaltung ist der gezielte Einsatz von Antibiotika jedoch notwendig und wichtig. Die fachgerechte Behandlung von erkrankten Tieren ist im Sinne des Tierschutzes unumgänglich.
Niedrige Nachweisgrenze und strenges Testsystem
Bei Antibiotika liegt die Nachweisgrenze so niedrig, dass gerne folgender, bildhafter Vergleich genutzt wird: Der Zuckerwürfel im Bodensee. Für den Nachweis reichen also kleinste Mengen, die weit unter der Wirksamkeitsgrenze liegen können. Eine einzelne Eutertube kann (theoretisch) also viele Tankzüge Milch unbrauchbar machen. Damit das nicht passiert, verfügen Molkereien über ein strenges Testsystem für eingehende Rohmilch.
Mit Antibiotika achtsam umgehen
Ungezielter oder entgegen der ärztlichen Anweisung durchgeführter Antibiotikaeinsatz kann Resistenzen zur Folge haben. Das gilt für Menschen und Tiere gleichermaßen, da hier dieselben Wirkstoffe zum Einsatz kommen. Sowohl in der Veterinärmedizin, als auch in der Humanmedizin wird ein umsichtiger Umgang mit diesen wichtigen Wirkstoffen gefordert. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz hat aus diesem Grund 2018 eine umfassende Leitlinie "für den sorgfältigen Umgang mit antibakteriell wirksamen Tierarzneimitteln“ herausgegeben. Dabei werden viele Ansätze definiert, wie ein moderner und nachhaltiger Einsatz von Antibiotika aussehen kann. Das Ziel ist es schließlich nicht, keine Antibiotika in der Nutztierhaltung mehr einzusetzen, sondern diese zielgerichtet anzuwenden.
Antibiotika-Mengen werden gemeldet, aufgezeichnet und ausgewertet
Um auch gegenüber kritischen Stimmen mit Fakten bestehen zu können, werden auf Basis der sogenannten "Veterinär-Antibiotika-Mengenströme-Verordnung 83/2014“ seit 2017 jene Mengen an Antibiotika an die AGES gemeldet, aufgezeichnet und ausgewertet, welche auf Betrieben abgegeben wurden. Nicht enthalten sind jene Mengen, die direkt vom Tierarzt am Betrieb bei einer Behandlung verabreicht wurden.
Aber wie kommt nun der Hemmstoff in die Milch?
Grundsätzlich müssen antibiotische Wirkstoffe, welche einem Tier verabreicht wurden, verstoffwechselt und ausgeschieden werden. Dabei ist es unwesentlich, für welche Art von Erkrankung und über welchen Weg (oral = über das Maul eingegeben oder mit Futter verabreicht, systemisch = über den Muskel/Injektion, intramammär = über das Euter/Strichkanal) ein Antibiotikum verabreicht wurde, laktierende Kühe scheiden den Hemmstoff auch über die Milch aus. Zudem auch über den Kot und Harn. Die auf Präparaten aufgedruckte oder vom Tierarzt kommunizierte Wartezeit beschreibt jenen Zeitraum, in welchem ein soweit gesundes, normal konstituiertes Tier den Wirkstoff fertig ausgeschieden bzw. über die Leber abgebaut hat, wenn das Antibiotikum in der verschriebenen Menge, Zeitraum und Verabreichungsweg eingehalten wurde.
Weitere Faktoren, die den Hemmstoff beeinflussen
Das Einhalten der Wartezeit alleine garantiert also nicht, dass die Milch danach mit Sicherheit Hemmstoff frei ist. Niedrige Milchmengen, niedrige Wasseraufnahme (und somit auch weniger Harnabsatz) oder auch Beeinträchtigungen der Leberfunktion (Fettleber durch Ketose) können dazu führen, dass noch wesentlich länger Hemmstoff im Organismus vorhanden ist, und somit auch noch über die Wartezeit hinaus Hemmstoff ausgeschieden wird.
Empfohlene Antibiotika-Therapiedauer einhalten
Auch der nicht sachgemäße Einsatz von Antibiotika kann zu abweichenden Wartezeiten führen zum Beispiel, wenn Mengendosierung, Verabreichungsdauer oder Verabreichungsweg nicht der tierärztlichen Verschreibung entsprechen.
Anzumerken ist, dass für einen effektiven Antibiotikaeinsatz im besten Fall ein Antibiogramm erstellt wurde und die vom Tierarzt empfohlene Therapiedauer auch wirklich eingehalten wird.
Wird wegen einer Euterentzündung ein Antibiotikum für die zwei Mal tägliche Verabreichung für drei Tage abgegeben, so muss das Medikament genauso lange gegeben werden, auch wenn es schon zu einer sichtlichen Verbesserung des Gesundheitszustandes gekommen ist.
Wie gelangt der Hemmstoff in die Milch
In die abgelieferte Milch gelangen Hemmstoffe zumeist über eine Verschleppung von hemmstoffhaltiger Milch beim Melken (indirekt = "einmal durch die Kuh durch"), seltener über direkte Kontamination (Hemmstoff gelangt durch unsachgemäße Lagerung oder unvorsichtiges Hantieren direkt in die Abliefermilch).
Hemmstoffe in der Rohmilch vermeiden - was kann ich tun?
Geht es um das Vorbeugen von Hemmstoffeintrag, gelten die selben Grundregeln, wie beim Minimieren des Antibiotikaeinsatzes am Betrieb an sich: vorrauschauend handeln, dokumentieren und kontrollieren, um Fehler zu vermeiden.
Der erste Schritt, um Hemmstoffe in der Rohmilch zu vermeiden, ist dem Grund für einen Einsatz vorzubeugen. Im milchwirtschaftlichen Betrieb werden die meisten Antibiotika bei Eutererkrankungen eingesetzt, teilweise auch vorbeugend. Ebenso findet man sie aber auch bei Klauenerkrankungen, oder Infektionserkrankungen wie Rindergrippe. Gut umgesetzte Biosicherheitsmaßnahmen und optimierte Haltungsbedingungen (z.B. Belegdichte, Stallklima) können hier vielen Erkrankungen vorbeugen.
Wenn Tiere behandelt werden müssen, sollte folgendes eingehalten werden:
- Ausreichend dokumentiert:
- Behandeltes Tier
- Arzneimittel
- Arzneimittelanwender
- Behandlungsdatum
- Wartezeit (auf der Verpackung oder vom Tierarzt mitgeteilt)
- (Datum Ende Wartezeit)
- Behandeltes Tier VOR Verabreichung markieren (Fesselband, Halsband, Farbspray…)
- Wenn möglich die behandelte Kuh separieren
- Alle, die melken, über die behandelte Kuh informieren (Stalltafel, Kalender, Familienfrühstück, Betriebs-Whatsappgruppe…)
- Die behandelte Kuh separat melken (ideal mit eigenem Melkzeug und Sicherheitsdeckel)
- Reinigen des Melkzeugs nach der behandelten Kuh
- Separierte Milch schnell entsorgen (zum Beispiel Güllegrube), nicht an Kälber verfüttern (auch für Kälberentwicklung nachteilig) und erst gar nie in die Nähe der Abliefermilch in der Milchkammer bringen
- Nach dem Ende der Wartezeit der Arznei Hemmstoffschnelltest (über Web-Agrarhandel oder ggf über Molkerei oder Hofberater erhältlich) beim Einzelgemelk der Kuh durchführen.
Vorsicht im Umgang mit hemmstoffhaltigen Substanzen
Der direkte Eintrag von Hemmstoff über die Milch passiert seltener als das Verschleppen von verunreinigten Milchresten, kann aber durchaus noch herausfordernder in der Ursachenforschung sein. Direkt bedeutet eben, dass Hemmstoff direkt in die (unbehandelte) Abliefermich gelangt ist. Es wurde also keine "falsche Kuh dazu gemolken", oder separierte Milch irrtümlich in die Abliefermilch geschüttet. Hier können unsachgemäße Lagerung, gar zu legerer Umgang mit hemmstoffhaltigen Substanzen oder Unwissen über den Hemmstoffgehalt verschiedener Produkte sein.
Wie kommt es zu einer Kontamination?
Im Melkstand oder in der Milchkammer gelagerte Medikamente können zum Beispiel Hilfsmittel (Melkhandschuhe, Milchfilter, usw.) unbemerkt kontaminieren (kleinste Mengen reichen bei Antibiotika) und so zu einem Eintrag führen. Aber auch das Vorbereiten von Medikamenten zur Eingabe (beispielsweise pulverförmige Präparate zum Einrühren in die Kälbermilch) in der Milchkammer oder das Verabreichen von Trockenstellern während des üblichen Melkvorganges können Fälle sein, wo kleine Mengen Wirkstoff sich auf Händen, Werkzeugen oder Oberflächen unbemerkt absetzen und später mit eigentlich hemmstofffreier Milch in den Tank gelangen.
Wie kann ich einem positiven Hemmstofftest in der Abliefermilch vorbeugen?
Ein sachgemäßer und umsichtiger Umgang mit diesen wichtigen Medikamenten kann viel dazu beitragen. Zusätzlich kann eine Kontrolle von bekannterweise behandelten Kühen eine Absicherung sein. Dafür sollte die Milch am besten nach dem letzten Tag der Wartezeit noch einmal separiert gemolken werden und mittels Schnelltest auf Rückstände überprüft werden. Solche Schnelltests sind im landwirtschaftlichen Fachhandel erhältlich. Viele Molkereien stellen sie aber auch nach Anfrage über ihre Hofberater zur Verfügung. Technisch handelt es sich bei den gängigen Varianten um Teststreifen oder Teströhrchen, bzw. gibt es auch die "Snap-Tests", welche auch mittels Milchtröpfchen und Farbumschlag funktionieren.
Vorsicht bei Schnelltests
Wenn am Tag nach Ende der Wartezeit der Hemmstoffschnelltest negativ ist, kann man in der Regel die Kuh gefahrlos wieder dazu melken. Aber Achtung: Nicht jeder Schnelltest kann jedes Antibiotikum nachweisen. Man muss die Tests also entsprechend dem eingesetzten Antibiotikum auswählen. Auf der Verpackung oder auch in der Produktbeschreibung und Anleitung wird angeführt, welche Art(en) von antibiotischen Wirkstoffen mit dem jeweiligen Produkt nachgewiesen werden können. Viele sind bereits kombiniert und können verschiedene Antibiotika nachweisen. Zudem macht es Sinn, die Schnelltests über den Hofberater der Molkerei zu beziehen, da sie jene mitführen, welche die in der Milchwirtschaft gängigsten Antibiotika nachweisen.
Was tun bei positivem Schnelltest?
Wenn der Schnelltest nach Ende der Wartezeit noch positiv ist, muss man erst einmal nicht in Panik verfallen. Es gibt einige Gründe, weswegen noch Antibiotikum von der Kuh ausgeschieden werden kann, ua:
- bei nicht sachgemäßer Anwendung von Antibiotika (ohne/entgegen der tierärztlichen Verschreibung),
- bei Wechselwirkung mit anderen, gleichzeitig mit dem Antibiotikum verabreichten Medikamenten oder Hausmitteln,
- bei verminderter Ausscheidung über Milch und Harn der Kuh, weil die Kuh z.B. weniger Wasser getrunken hat, als sie sollte,
- bei verlangsamtem Abbau über die Leber, weil diese verfettet oder gerade mit dem Abbau anderer Stoffe überfordert ist
- oder weil der Hemmstoffeintrag über eine Kontamination erfolgt, und nicht über die behandelte Kuh.
Fazit: Medikamenteverzicht ist nicht die Lösung
Hemmstoffe bzw. Antibiotikarückstände in der Milch können vielerlei Gründe haben. Um wirtschaftlichen und Imageschaden zu vermeiden, gilt es, mit Antibiotika sorgsam umzugehen. Jede tiergesundheitsunterstützende und krankheitsvorbeugende Maßnahme zählt ebenso zu den Wegen das Risiko von Hemmstoffen in der Milch zu reduzieren, wie das Vorgehen streng nach tierärztlicher Indikation, wenn Antibiotika zur Eindämmung oder Genesung einer Krankheit einmal notwendig werden. Ein absoluter Verzicht auf diese Medikamente sollte nicht das Ziel sein, da es in einigen Fällen die erfolgversprechendste und wirtschaftlichste Therapie sein kann.